Zum guten Essen gehört ein guter Wein? Diese Regel ist nicht in Stein gemeißelt. Denn der Biermarkt ist in Bewegung. Während die großen Brauereien in Deutschland gegen sinkenden Bierabsatz kämpfen, hat sich in deren Schatten eine kreative Mikrobrauer-Szene entwickelt, die zahlreiche Spezialitäten hervorbringt. Mikrobrauereien sind, wie der Name schon sagt, Klein- und Kleinstbrauereien, die im Jahr nicht mehr als 5000 Hektoliter Bier herstellen und unabhängig von den großen Brauereikonzernen agieren. Ihre Kreationen tragen Namen wie 'Riedenburger Dolden Sud', 'XPA-X-Berg Pale Ale', 'Auswandererbier 1849' oder 'Ratsherren Rotbier'.
Von den 5000 Hektolitern sind die meisten Mikrobrauer weit entfernt. Mehr als 400 Hektoliter setzen bisher die wenigsten ab. Sie haben häufig als Heimbrauer angefangen und mieten sich heute bei Kollegen oder kleinen Brauereien ein, um ihr eigenes Bier zu kreieren. Wichtig ist den Mikrobrauern, die so genanntes Craft Beer herstellen, dass ihnen selbst das Produkt schmeckt. Wenn es auch den Geschmack von anderen trifft, nimmt man das gerne in Kauf, um die laufenden Kosten zu decken. Einzelne Brauer können mittlerweile von ihrem einstigen Hobby leben. Manche verkaufen in eigenen Schankräumen und Braugasthäusern ihr eigenes Bier oder sie beliefern Szenekneipen und ausgewählte Getränkehändler. Auch über das Internet kann man bei bier-deluxe.de oder craftbeerstore.de viele Sorten beziehen.
Bierbrauen wird als ehrliches Handwerk begriffen
Craft Beer ist keine Biersorte wie Pils, Weizen oder Lager, sondern ein Überbegriff für handgemachtes Bier, das sich von der Masse abhebt. Der Ausdruck 'Craft Beer' stammt, wie es unschwer zu erkennen ist, aus dem Englischen. 'Craft' bedeutet übersetzt 'Handwerk'. Der Begriff wurde in den USA geprägt. In den 1970ern setzte bei den großen Brauereien der Trend ein, ihre Biere auf einen möglichst massenkompatiblen Geschmack auszurichten. Bei Bierliebhabern entwickelte sich so das Bedürfnis, ihr eigenes Bier herzustellen. Heutzutage hat Bier aus Mikrobrauereien in den USA einen Marktanteil von 8%.
Hierzulande haben es sich die Craft Beer-Brauer in einer Nische bequem gemacht und verspüren auch kaum das Bedürfnis, diese zu verlassen. Ihre Brauereien begreifen sie als Braumanufakturen. Industrielle Effizienz und damit einhergehende Anonymisierung sind nicht gewollt. Craft Beer-Brauer stehen noch selber am Braukessel und kümmern sich um Abfüllung und Vertrieb. Betriebswirte mögen bei dieser Art der Geschäftsführung die Haare zu Berge stehen. Denn das Potential zum Massenphänomen ist durchaus vorhanden. Vor allem in den Großstädten Berlin und Hamburg erfreut sich Craft Beer steigender Beliebtheit. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass die Bier-Spezialitäten etwas mehr kosten, als der Gerstensaft der bekannten Marken. Die Preise für einen Liter bewegen sich in einer Spannweite von 2,50 Euro bis 120 Euro.
Die Bier-Handwerker sind experimentierfreudig. Geschmacklich darf man also eine enorme Vielfalt erwarten. Das viel gerühmte Deutsche Reinheitsgebot spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Mit Gewürzen, Beeren oder Kaffee werden dem Bier interessante Aromen entlockt. Auch werden manche Biere in alten Weinbrandfässern nachgelagert. Puristen mögen da etwas reserviert reagieren, doch das ist kein Grund, die Finger von dem Bier zu lassen. Denn zahlreiche Mirkobrauer geben auch alten, fast in Vergessenheit geratenen Rezepten eine neue Chance - eben ganz nach dem Geschmack des Brauers. Die Craft-Beer-Szene wächst und ist lebendig. Konkurrenzdruck gibt es kaum. Mit Hopfenhelden.de hat die Szene sogar ihr eigenes Online-Magazin.
Auch gestandene Marken profitieren vom Trend
Auch traditionelle Kleinbrauereien, die vor allem regional verwurzelt sind, profitieren von dem Trend zum Craft Beer. Während in den 1980er bis in die 2000er Jahre zahlreiche Brauereien von Großkonzernen übernommen wurden, waren sie zu klein und wirtschaftlich zu unattraktiv, um in das Blickfeld der Konzerne zu rücken. Nachdem es viele aufgekaufte Marken nicht mehr gibt oder die Biere an anderen Orten gebraut werden, erleben die mittelständischen Unternehmen einen zweiten Frühling. Ihre Biere werden regionale Spezialitäten geschätzt und die Brauereien dürfen sich über wachsende Absatzraten freuen.
Nachdem die großen Brauereien den Trend in den USA vollkommen unterschätzt hatten, sind sie in Deutschland mit auf den Zug aufgesprungen. Der Ausdruck 'Craft Beer' ist nicht geschützt und auch nicht klar definiert. Die Radeberger Brauerei und Bitburger versuchen unter den Namen 'Braufactum' bzw. 'Craftwerk' von dem Trend zu profitieren. Für die kleinen Brauer schließen sich industrielle Produktion und 'Craft Beer' aber aus.
Für den Kunden entscheidet letztendlich der Geschmack. Der Gaumen dürfte einige Überraschungen erleben. Man muss sich nur trauen. Es gibt noch viele Aromen zu entdecken. Findet man die passende Note, kann man seinen Gästen statt des üblichen Weines auch ruhigen Gewissens ein handgemachtes Bier zum Hauptgang servieren. Mit einer Heimbrauanlage kann man auch sein Bier nach eigenem Geschmack brauen.